„Wenn man einen sauren Hering aus einem Topf holt und ihn einige Wochen an der Luft liegen lässt, dann gibt es keinen sauren Hering mehr. Der ist einfach weggerottet. Genau das tun Moore auch, wenn man sie entwässert. Und all das organische Material wird dann umgesetzt in CO2.“
Prof. Hans Joosten, Paläoökologe, Universität Greifswald
Quelle: Ruhrnachrichten NRW, Nr. 027, 02.02.2021

Moore galten viele Jahrhunderte als lebensfeindliches Ödland und wurden entsprechend in Literatur und Malerei dargestellt. Aber was haben Moore mit dem Klima zu tun?
Moore gelten als die effektivsten Kohlenstoffspeicher aller Landlebensräume. Im wassergesättigten Milieu werden abgestorbene Pflanzenreste unter Sauerstoffausschluss nicht vollständig zersetzt: es kommt zur Torfbildung. In einer 15 cm dicken Torfschicht ist ebenso viel Kohlenstoff gebunden wie auf einer gleich großen Fläche eines 100-jährigen Waldes. Lebendige Moore wachsen allerdings nur einen Millimeter pro Jahr in die Höhe.

Im regenreichen Nordwesten Deutschlands gibt es großflächig Hochmoore, die nicht vom Grundwasser sondern vom Regenwasser gespeist werden, während der Osten und der Nordosten eher von Niedermooren geprägt sind, jedoch kommen entlang der Ostseeküste auch vereinzelt Hochmoore vor.

Bei der Entwässerung von Mooren kommt der über Jahrtausende gebundene Kohlenstoff mit Sauerstoff in Berührung und oxidiert zu CO2, das in die Atmosphäre entweicht. Entwässerte deutsche Moore (ca. 92 %) emittierten 2019 53 Mio. t CO2-Äquivalente (inkl. des 25-mal klimaschädlicheren Methans CH4 und des 300-mal klimaschädlicheren Lachgases N2O). Das entspricht 7 % der gesamten deutschen Treibhausgas-Emissionen, im moorreichen Bundesländern ist der Anteil deutlich höher (Greifswald Moor Centrum). Der Anteil der Treibhausgas-Emissionen des Luftverkehrs betrug 2015 im Vergleich dazu lediglich 2,69 % (Klimaschutzreport 2018).

Klimabilanz von Mooren

Aber nur ein nasses Moor ist klimaneutral, während ein entwässertes Moor das Klima schädigt. Deshalb müssen durch Wiedervernässung die in Moorböden gespeicherten Kohlenstoffvorräte gesichert werden, wozu der Wasserstand im Moor angehoben wird. Die Klimarelevanz der Moore macht die folgende aus Klimatools entnommene Grafik deutlich:

Emissionen von naturnahem und genutztem Hochmoor

Den größten Teil dieser menschengemachten klimaschädlichen Emissionen von Mooren verursacht in Deutschland mit 84 % die Land- und Forstwirtschaft. Die extensive Nutzung von Mooren (9 %) und der industrielle Torfabbau (7 %) sind für die übrigen nutzungsbedingten Klimagas-Emissionen verantwortlich (NABU).

„Die Menge an Treibhausgasen, die ein entwässertes Moor freisetzt, wird vom Wasserstand bestimmt: jede Absenkung des jährlichen mittleren Wasserstands um 10 cm führt zu etwa 5 Tonnen zusätzlichen CO2-Emissionen pro Hektar und Jahr. Ackernutzung auf entwässertem Moor führt durchschnittlich zu jährlichen (!) Emissionen von 40 Tonnen CO2-Äq. pro Hektar, Grünlandnutzung auf entwässertem Moor zu 32 Tonnen pro Hektar.“ (Greifswald Moor Centrum)

Intakte Moore dienen neben dem Klimaschutz auch dem Wasser-, Natur- und Brandschutz

Moore sind aber nicht nur für den Klimaschutz wichtig. Naturnahe Moorlandschaften wirken im Wasserhaushalt einer Landschaft wie ein Schwamm. Sie können innerhalb kurzer Zeit viel Wasser aufnehmen und leisten dadurch auch einen wichtigen Beitrag für den Hochwasserschutz. Bei starkem Regen oder Überflutungen saugen sie durch ihre enorme Speicherfähigkeit das Wasser auf und geben es erst langsam wieder an die Umgebung ab. Moore erfüllen auch wichtige Funktionen bei der Grundwasserneubildung. Sie sind regelrechte Wasserfilter. Die Pflanzen nehmen die im Wasser gelösten Nähr- und Schadstoffe auf. Durch die Torfbildung werden sie dauerhaft im Moor eingeschlossen. Eine Renaturierung der Moore dient also neben dem Klimaschutz ebenso dem Wasser- und Naturschutz.
Und nasse Moore brennen nicht! Denn je wärmer es wird, desto so häufiger werden Brände trocken gelegter Moore gemeldet. Das Feuer hat im trockenen Torf leichtes Spiel. Oft dauert es Monate, bis die letzten Glutnester gelöscht sind.

Wirtschaftliche Nutzung wiedervernässter Moorflächen

Die Mehrzahl der trocken gelegten Moorflächen wird heute intensiv landwirtschaftlich genutzt, wobei sehr viele Treibhausgase freigesetzt werden. Die Wiedervernässung von Moorböden durch dauerhafte Anhebung des Wasserstands gilt heute als effizienteste Klimaschutzmaßnahme in der deutschen Land- und Forstwirtschaft, wodurch bis zu 35 t CO2/ha/Jahr vermieden werden. Dafür muss die landwirtschaftliche Nutzung umgestellt werden, denn unter nass-sauren Bedingungen gedeihen keine klassischen landwirtschaftlichen Produkte. Gut funktioniert aber der Anbau von Schilf für Dachreet, von Rohrkolben für neue Baustoffe wie Dämmstoffe oder die Kultivierung von Torfmoosen als Torfersatz in Substraten für den Gartenbau. Experten sprechen von Paludikultur (Bewirtschaftung nasser Moore), ein für den Klimaschutz hochaktueller Ansatz (UBA):

  1. Obwohl nur 7 % der landwirtschaftlichen Flächen auf trocken gelegten Mooren angelegt sind, verursachen diese 42 % der Treibhausgas-Emissionen aus der Landwirtschaft. Die Wiedervernässung dieser Flächen ist also der zentrale Hebel in der Landwirtschaft, mit dem schnell der Austritt großer Mengen an Treibhausgasen vermieden würde und damit der größte Klimaeffekt zu erzielen wäre.
  2. Werden aus der im nassen Moor erzeugten Biomasse, z. B. Schilf, dauerhafte Produkte wie Dämmmaterial für den Bausektor hergestellt (diese Lieferketten fehlen allerdings noch!), würde dadurch das der Atmosphäre entzogene CO2 auf Jahrzehnte gebunden. (Eine Verbrennung der Biomasse sollte hingegen ausgeschossen werden, weil dadurch das gebundene CO2 direkt wieder freigesetzt und der positive Klimaeffekt zunichte gemacht wird.)

Unstrittig ist, dass diese Form der Nutzung geringere Erträge erbringt als die zuvor betriebene intensive landwirtschaftliche Nutzung. Die finanziellen Einbußen können aber durch Verknüpfung von Paludikultur mit Photovoltaik ausgeglichen werden:
„Landwirtschaftlich genutzte Moorböden sollen als neue Flächenkategorie im EEG aufgenommen werden. Voraussetzung für die Förderung ist die Wiedervernässung dieser entwässerten Moorböden. Das Ziel ist es, einerseits die Wiedervernässung als Beitrag zum Klimaschutz voranzubringen und gleichzeitig die Flächen für PV-Stromerzeugung zu nutzen. Der Zugang zur Förderung der Wiedervernässung im Rahmen von Moorschutzprogrammen soll erhalten bleiben.“ (Eckpunkte vom 10.02.2022) Im EEG 2023 (Übersicht) wird dies wie folgt umgesetzt: auf wiedervernässten und nass bewirtschafteten Mooren sollen Moor-PV-Anlagen errichtet werden, die aufgrund der höheren Kosten auch höher vergütet werden sollen (Anforderung). Nicht beseitigt werden durch das EEG 2023 die hohen baurechtlichen Hürden. Zudem sollten kleine (< 1 MWp) und hoch aufgeständerte Anlagen höher gefördert werden (Kritik).

Moor-PV bietet mehrere Vorteile:
Durch das Aufständern der horizontal oder vertikal montierten Solarmodule bleiben die Flächen unter bzw. zwischen den Modulen landwirtschaftlich nutzbar (Agri-PV1: Fraunhofer ISE, BfN). Die Module schützen die Böden vor Starkregen, Hagel sowie zunehmender Sonneneinstrahlung und Hitze. Dadurch wird die Wasser-Verdunstung des Moorkörpers verringert. Der Schatten ermöglicht den Anbau von Pflanzenarten, die auf Schatten angewiesen sind und nicht die pralle Sonne vertragen. Auch die Beweidung durch Nutztiere bleibt möglich. Zudem produzieren die Solarmodule regenerativen Strom, der dem Landwirt ein weiteres wirtschaftlich stabiles Standbein bietet (Beispiel: Solarpark Lottorf).
Der auf diese Weise produzierte Strom verringert den Einsatz Kohlenstoff-basierter Energieträger und bildet damit die dritte Klimaschutz-Säule wiedervernässter Moore neben der Verringerung von Treibhausgas-Emissionen und der CO2-Bindung in Biomasse (Paludikultur+PV: GMC-Info, GMC-Stellungnahme, KNE, NABU-Empfehlungen S. 25).

Daraus ergibt sich folgender Handlungsbedarf:
1) Die hohen bürokratischen Hürden, die derzeit selbst einer Vernässung von nicht land- oder forstwirtschaftlich genutzten Moorflächen in Schutzgebieten entgegenstehen, müssen vollständig beseitigt werden. Künftig darf es nicht mehr um die Frage des „ob“ gehen, sondern „bis wann“ die Vernässung umgesetzt sein muss. In einem Bundesgesetz sollte festgelegt werden, dass bis 2030 alle trocken gelegten Moorflächen vernässt sind. Die betroffenen Kommunen sollten die Landwirte dabei schnell und unbürokratisch unterstützen.
2) Für die neuen, auf nassen Böden erzeugten Produkte müssen funktionierende Lieferketten entwickelt werden, beispielsweise in Form von Anreizen für die Hersteller von Dämmstoffen im Hausbau, damit diese ihre Produkte künftig aus Biomasse wie Schilf herstellen statt aus Polystyrol. Die thermische Verwertung der erzeugten Biomasse sollte ausgeschlossen werden.
3) Auch für die Errichtung von Moor-PV-Anlagen müssen die hohen bürokratischen Hürden vollständig beseitigt werden. Bundeseinheitlich muss vorgegeben werden, dass auf jeder wiedervernässten, zuvor land- oder forstwirtschaftlich genutzten Moorfläche Moor-PV erwünscht ist. Eine Genehmigung ist damit per Bundesgesetz bereits erteilt. Für die technische Abnahme der neuerrichteten Moor-PV-Anlage und den Netzanschluss werden enge zeitliche Fristen gesetzt, danach erteilt der örtliche Netzbetreiber sofort die Einspeisegenehmigung für die gesamte Strommenge. Die im EEG 2023 vorgesehene Vergütung wird für kleine (< 1 MWp) und hoch aufgeständerte Moor-PV-Anlagen bedarfsgerecht erhöht. Die örtlichen Stromversorger bieten gegen eine angemessene Gebühr an, Wartung der Anlage und Vertrieb des erzeugten Stroms zu übernehmen, um den Landwirt von diesen für ihn fremden Aufgaben zu entlasten.

Annette von Droste-Hülshoff (1842)

Mooratlas: Daten und Fakten zu nassen Klimaschützern, Berlin 2023

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Theresa Weiß: Die Vernässung der Welt, FAZ 10.04.2020

Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege (ANL): Anliegen Natur, Zeitschrift für Naturschutz und angewandte Landschaftsökologie, Heft 42(1), 2020, S. 7 – 54

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Siehe YouTube-Aufzeichnung der Konferenz Moorschutz ist Klimaschutz am 28.03.2022

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„Angesichts des hohen Anteils von Mooren und Anmooren an den gesamten THG-Emissionen aus der Landwirtschaft und der landwirtschaftlichen Bodennutzung (ca. 40%), des relativ geringen Beitrags zur landwirtschaftlichen Produktion (Flächenanteil knapp 7%) sowie des hohen Einsparpotentials (ca. 35 t CO2/ha/Jahr bei Wiedervernässung von Acker), ist eine sehr weitgehende Wiedervernässung volkswirtschaftlich außerordentlich sinnvoll. …
Im Vordergrund der Diskussion stehen bisher Verfahren einer ’nassen Landwirtschaft‘, sogenannte Paludikulturen (z. B. Torfmoose, Schilf, Rohrkolben, Erlen). …
Ebenso sind nicht-landwirtschaftliche Nutzungsformen möglich. Insbesondere die Nutzung der Flächen für die Erzeugung regenerativer Energien und speziell für Photovoltaik bietet sich an.“
Grethe/Martinez/Osterburg/Taube/Thom: Klimaschutz im Agrar- und Ernährungssystem Deutschlands: Die drei zentralen Handlungsfelder auf dem Weg zur Klimaneutralität, S. 85f

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1 60 % der landwirtschaftlichen Nutzflächen in Deutschland entfallen auf die Futtermittel-, 22 % auf die Nahrungsmittel- und 14 % auf die Energiepflanzenproduktion (=> Kein Essen in den Tank!). Gegenüber dem reinen Anbau von Energiepflanzen ist die Doppelnutzung der Flächen für landwirtschaftliche Erzeugnisse und Strom energetisch deutlich flächeneffizienter. Mit Solarparks lässt sich auf derselben Fläche 40-mal mehr Energie gewinnen als mit Energiepflanzen (UBA).

Zielvereinbarung von Bund und Ländern zum Klimaschutz durch Moorbodenschutz (20.10.2021): Auf Grundlage der Freiwilligkeit sollen Moorböden erhalten, Wasserstände angehoben und die bisherige Bewirtschaftung (z. B. durch Paludikulturen) angepasst werden. Als zu entwickelnde weitere Nutzungsform auf wiedervernässten Moorböden werden u. a. PV-Freiflächenanlagen genannt.
Mit der Nationalen Moorschutzstrategie (9.11.2022) wird eine THG-Reduktion von 10 % bis 2030 angestrebt – 100 % wären erforderlich, um die Klimaschutzziele noch zu erreichen.

Großes Torfhausmoor, Nationalpark Harz