Das UN-Klimasekretariat kritisiert, dass die bisher vorliegenden Klimapläne der Länder nur 0,7 % CO2-Reduktion bringen: „Im Kriechgang nach Paris.“ Die 2021 abgewählte große Koalition setzte mit dem Klimaschutzgesetz (KSG) von 2019/21 die Politik „Nach uns die Sintflut“ fort (siehe auch Klimaschutz-Index). Sie sorgte ferner dafür, dass Europa beim EU-Klimagesetz vom Juni 2021 weit vom 1,5 Grad-Pfad entfernt bleibt – trotz des BVG-Urteils1 vom April 2021. Auch die inzwischen gescheiterte Ampel-Regierung überschritt regelmäßig die im KSG von 2021 festgelegten, ohnehin zu niedrigen CO2-Reduktionsziele insbesondere im Verkehrs- und Bausektor. Durch die Verweigerung der vorgeschriebenen Sofortmaßnahmen handelte sie grundgesetzwidrig (BVG-Urteil) und brach geltendes Recht (KSG), was das OVG Berlin-Brandenburg mit seinen Urteilen vom 30.11.2023 und 16.05.2024 bestätigt hat. Das endlose Wachstum auf Kosten der Natur und der Menschen im globalen Süden unter den Bedingungen eines entfesselten Marktes geht also weiter und hat längst alle Grenzen überschritten.2
Im Juni 2021 hat GermanZero ein umfassendes 1,5-Grad-Gesetzespaket mit ausformulierten Gesetzestexten für alle Sektoren vorgelegt. Es orientiert sich wie das Bundesverfassungsgericht an dem Ziel, das noch verfügbare CO2-Restbudget bis zum Erreichen des im Pariser Klimaschutz-Abkommen von 2015 völkerrechtlich bindend vereinbarte 1,5-Grad-Limits nicht zu überschreiten. Statt diese Vorschläge umzusetzen, entkernte die Ampel-Regierung das KSG 2024, indem sie die verbindlichen Sektorziele abschaffte, womit nach dem Urteil aller Experten die Klimaschutzziele nicht mehr zu erreichen sind (Expertenrat für Klimafragen). Eine erneute Verurteilung der Bundesregierung durch das Bundesverfassungsreicht ist absehbar (Klimaklage, DUH).
Sofort notwendig ist der massive dezentrale Ausbau regenerativer Stromerzeugung sowie von Geothermie und thermischer Solarenergie idealerweise aus in Europa hergestellten, kreislauffähigen Anlagen, wodurch zugleich die Abhängigkeit von fossiler Energie (oft aus der Hand von Despoten wie in Russland, Katar, Saudi Arabien) und von China (produziert aktuell über 80 % der PV-Module) reduziert würde:3 bis 2030 ist mindestens eine Verdreifachung der heutigen Stromerzeugung aus Wind und PV auf mehr als 600 TWh/a erforderlich. Denn der Stromverbrauch steigt seit Jahren nicht zuletzt wegen der Digitalisierung und wird trotz Einsparungen durch höhere Effizienz weiter steigen, wenn der Verkehr elektrifiziert wird, die derzeitigen Öl-, Gas- und Holzpelletheizungen auf elektrische getriebene Wärmepumpen umgestellt werden und Wasserstoff erzeugt wird. Zudem müssen die THG emittierenden Stromerzeuger durch regenerative ersetzt werden. Bereits „belastete“ Flächen wie Autobahnen und Schienenwege müssen zu Infrastrukturtrassen werden, entlang derer Stromübertragungsnetze, Windkraft- und Solar-Anlagen (Energiekorridore) entstehen, die im Verbund mit Solar-Anlagen auf Dächern/Fassaden aller Gebäude, versiegelten Flächen und ausgewählten Ackerflächen (Agri-Photovoltaik) sowie weiteren Windkraftanlagen eine dezentrale, regenerative Energieversorgung sicher stellen.
Sprechen Sie Ihre politischen Vertreter an und fordern Sie, alle erforderlichen Maßnahmen zur Begrenzung des globalen Termperaturanstiegs auf max. 1,5 Grad und zum Stopp des Rückgangs der Biodiversität umgehend umzusetzen, vor allem
- eine schnelle Energiewende durch Beendigung der Kohle-, Gas-, Öl- und Holzverstromung vor 2030, schnellen Ausbau der regenerativen Energien (Dekarbonisierung) statt Verpressen von CO2 (CCS) und Umbau der Stromnetze zu intelligenten Verteilnetzen; Voraussetzung: massive Besteuerung von CO2-Emissionen, sozial ausgleichende Rückerstattung dieser Einnahmen (Klimageld), starke Anreize zum Energiesparen, keine neuen fossilen Infrastrukturen (LNG Terminals), sofortige Freigabe aller vorliegenden Genehmigungsanträge, Beseitigung der unzähligen gesetzlichen Hindernisse wie Ausbaudeckel bei Solar– und Windenergie, beim Ersatz alter Windräder, 1.000 m Abstandsregel für Windräder sowie Überregulierung beim selbst erzeugten Strom und Mieterstrom, Recht auf solare Eigenversorgung, Austritt aus Engeriecharta-Vertrag zwecks Beendigung des einseitigen Klagerechts von Konzernen (wie RWE, Uniper oder Vattenfall) gegen Staaten in geheimen Schiedsverfahren jenseits der nationalen Gerichtsbarkeit zum dauerhaften Schutz auch klimaschädlicher Investitionen,
- eine schnelle Verkehrswende durch Baustopp von Benzin- und Dieselautos ab 2025 und Ausbau der Radwege (Pop-up-Radwege jetzt) und des Schienennetzes sowie stark verbilligte Tickets (noch ist die Bahn das teuerste Verkehrsmittel, 1. Schritt: 365-Euro-Klimaticket), mitfinanziert durch verpflichtende Kompensationszahlungen auf alle verkehrsbedingten CO2-Emissionen,
- eine schnelle energetische Sanierung des Wohnungsbestands (statt Abriss und Neubau) zu klimaneutralen Häusern mittels öffentlicher Förderung (keine Mieterhöhungen!) und schneller Anschluss der Gebäude an Nah-/Fernwärmenetze auf Basis von Geothermie, thermische Solarenergie und PV-Energie auf allen Dächern (Solarpflicht, siehe z. B. Tübingen und Wien) ohne Mengenbegrenzung, preisgünstige Lieferung an Bewohner in Mehrfamilienhäusern (Streichung der komplizierten Mieterstrom-Regelungen),
- eine schnelle Reduktion des Öl- und Ressourcenverbrauchs in Industrie und Wirtschaft (Recyclingquote liegt aktuell bei 13 %) durch Senkung des Energieverbrauchs, Ausbau einer Recycling-/Kreislaufwirtschaft (siehe z. B. Amsterdam) und einer Kultur des Reparierens statt Wegwerfens (50 % der Treibhausgas-Emissionen entstehen bei der Rohstoffgewinnung und -verarbeitung),
- eine schnelle Beendigung der auf industrielle Massenproduktion ausgelegten Landwirtschaft (mit Äckern voller Pestizide, sterbenden Insekten, durch Gülle verunreinigtes Wasser, Dumping-Exporten in den globalen Süden) zugunsten einer naturverträglichen ökologischen Landwirtschaft,
- eine sofortige Beendigung der Vernichtung des Walds im Amazonas (Stopp des EU-Mercosur-Abkommens: Autos für Rinder, weitere Infos / Poster) und anderswo (für Gensoja in deutschen Tierställen, Palmöl, Sojaöl u.a. im Sprit für Autos, Holzbiomassekraftwerke4 usw.) und Finanzierung großflächiger Bewaldung und Wiederherstellung der Moore weltweit,
- Ausgleichszahlungen für entgangene Erträge durch Maßnahmen für den Erhalt des ökologischen Gleichgewichts an Landwirte, z. B. für Flächenstilllegungen oder Moorvernässung, und Staaten, z. B. für den Erhalt des (Regen-)Waldes.
Und betonen Sie, dass die ökologische Neuausrichtung die wirtschaftliche und soziale Entwicklung nicht belastet, sondern befördert. Klimaschutz gilt als der Jobmotor, durch den hunderttausende zusätzliche Arbeitsplätze entstehen können. Viele Menschen und Unternehmen stehen in den Startlöchern und warten nur darauf, dass die Politik endlich die für einen effektiven Klimaschutz notwendigen gesetzlichen Rahmenbedingungen schafft. Dazu zählt, die aus der CO2-Bepreisung entstehenden Einnahmen an alle Menschen in gleicher Höhe zurückzuzahlen (Klimageld), wobei die vom ärmeren Drittel der Gesellschaft geleisteten Abgaben vollständig kompensiert werden sollten. Auch ein vergünstigtes Deutschlandticket würde arme Menschen entlasten und Klimaschutz für sie attraktiv machen. Die vielen reichen Menschen sollten das finanzieren und damit Deutschland etwas gerechter machen (ZDF). Fordern Sie ein gutes Leben für alle ohne Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen.
Beim klimagerechten Umbau der Gesellschaft überwiegen die Chancen die Risiken bei weitem. Denn schon heute kostet die Klimakrise nur in Deutschland 164 Mrd. Euro (UBA: 237 Euro / t CO2), etwa die Hälfte des Bundesetats, jedes Jahr. Hinzu kommen jährlich mehr als 65 Mrd. Euro für klimaschädliche Subventionen (UBA; weltweit 7.000 Mrd. Dollar, IWF), die erhebliche Treibhausgasemissionen verursachen. Und die Kosten steigen weiter: für Deutschland werden sie 2050 mit 280 Mrd. Euro (schwacher Klimawandel) bis 900 Mrd. Euro (starker Klimawandel) pro Jahr kalkuliert.
Richtig ist: Das Erreichen der Klimaziele, also die Einhaltung des 1,5-Grad-Limits, wird Geld kosten, Ökonomen schätzen jährlich ca. 2 % des BIP, aber viel mehr Geld sparen. Denn längst ist der Strom aus Sonne und Wind günstiger als aus konventionellen Kraftwerken und vermeidet zudem die Abhängigkeit von ausländischen Lieferanten und Spekulanten. Dennoch werden wir auf manches verzichten müssen, denn wir leben seit Jahren weit über unsere Verhältnisse (siehe Erdüberlastungstag). Aber wenn wir keinen ausreichenden Klimaschutz betreiben, wird es unendlich viel teurer und wir werden auf viel mehr verzichten müssen: Gesundheit und Leben von immer mehr Menschen. Die durch die sintflutartigen Niederschläge verursachten 180 Toten, unzähligen Verletzten und rd. 40 Mrd. Euro Schäden an Ahr und Erft im Sommer 2021 sind nur ein Vorgeschmack darauf und wurden bereits im Herbst 2024 in Valencia/Spanien weit übertroffen. Also: Klimaschutz schützt Menschenleben, spart Geld, nützt Natur und Wirtschaft, vor allem aber sorgt er für mehr Gesundheit, eine höhere Lebensqualität und mehr Gerechtigkeit!
Und bestehen Sie darauf, dass konjunkturelle Anschubprogramme infolge der vom Russland-Krieg ausgelösten Energie-Krise verbindlich an sozial-ökologische Kriterien und die Erfüllung der Pariser Klimaziele gebunden werden (vgl. u.a.: Nach der Coronakrise ist mitten in der Klimakrise). Der New Deal der EU muss sozial, ökologisch und schnell umgesetzt werden. Die Corona-Programme, das 100-Mrd.-Euro-Paket für die Bundeswehr oder der in wenigen Monaten umgesetzte Bau von LNG-Terminals zeigen, was möglich ist, wenn man nur will. Warum also nicht jetzt endlich ein 100-Mrd.-Euro-Sondervermögen für den Klimaschutz für sofortiges Handeln?
Alle Bundesregierungen werden sich daran messen lassen müssen, ob sie das Überschreiten des 1,5-Grad-Limits sozial gerecht verhindern. An einem Verzicht auf Treibhausgas-emittierende Energieträger sowie der Entfernung eines Teils dieser Treibhausgase aus der Atmosphäre durch den Erhalt bzw. die Wiederherstellung von Mooren und Wäldern führt kein Weg vorbei. Damit das Klima auch für nachfolgende Generationen erträglich bleibt.
Artikel 20a Grundgesetz
„Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.“
1 Das Bundesverfassungsgericht (BVG) erklärt dazu: „Art. 20a GG verpflichtet den Staat zum Klimaschutz und zielt auf die Herstellung von Klimaneutralität.“ In seinem Urteil vom 29.04.2021 kritisiert das BVG die im Klimaschutzgesetz (KSG) bis 2030 vorgesehene Reduktion des CO2-Ausstoßes als nicht ausreichend und bemängelt die „Klimapolitik ins Blaue hinein“, da sich diese – bis heute – nicht am noch verfügbaren nationalen CO2-Budget orientiert. Bei Ausschöpfung der im KSG zugelassenen Emissionsmengen sei das CO2-Restbudget zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels schon vor dem Jahr 2030 verbraucht. Ab 2031 dürfe dann kein CO2 mehr ausgestoßen werden (obwohl das KSG für 2030 noch über 300 Mio. t CO2-Äquivalent zulässt). Eine dann nötige „Vollbremsung“ von 300 Mio. t auf 0 t CO2-Ausstoß („radikale Reduktionslast“) sei unzumutbar und würde die Freiheitsrechte ab 2030 unverhältnismäßig beschränken. Deshalb müsse die CO2-Reduktion (von aktuell über 700 Mio. t CO2-Äquivalent) bis 2030 deutlich stärker ausfallen als im KSG vorgesehen.
2 Der Internationale Seegerichtshof in Hamburg hat in seinem Gutachten vom 21.05.2024 den Anspruch kleiner Inselstaaten auf mehr Klimaschutz bestätigt, da die von Menschen verursachten Treibhausgase eine Verschmutzung der Meere darstellen. Die Staaten seien verpflichtet, dagegen Maßnahmen zu ergreifen.
.
.
.
.
3 siehe auch
Wissenschaftler/innen fordern eine der realen Größe des Problems angemessene Klimapolitik
Fridays for Future: 100 Milliarden fürs Klima
Agora Energiewende: Investitionsoffensive in Erneuerbare Energien, Energieeffizienz und strombasierte Technologien in Industrie und Gebäuden
Die 16 Forderungen der Klima-Allianz Deutschland
Die Kernforderungen der Natur- und Umweltverbände
Ariadne-Report: Deutschland auf dem Weg zur Klimaneutralität 2045. Szenarien und Pfade im Modellvergleich. PIK, Oktober 2021
Das Klimaschutz-Sofortprogramm – 22 Eckpunkte für die ersten 100 Tage der neuen Bundesregierung; sowie: 50 Empfehlungen für die 20. Legislaturperiode (2021–2025) (beide Papiere von Stiftung Klimaneutralität und Agora, Berlin 08 / 06 2021)
Prognos, Öko-Institut, Wuppertal-Institut: Klimaneutrales Deutschland. Studie im Auftrag von Agora Energiewende, Agora Verkehrswende und Stiftung Klimaneutralität. Berlin, November 2020
Wuppertal Institut: CO2-neutral bis 2035: Eckpunkte eines deutschen Beitrags zur Einhaltung der 1,5-°C-Grenze. Bericht erarbeitet für Fridays for Future. Wuppertal, Oktober 2020
oder Rezo.
…
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
4 Über 500 Wissenschaftler/innen warnen vor Verbrennen von Wäldern
.
.
Agora Energiewende, Agora Verkehrswende: Der Doppelte Booster: 100 Milliarden Euro, um wirtschaftliche Erholung und Klimaschutz zu verbinden. Berlin, Mai 2020
Agora Energiewende: Auswirkungen der Corona-Krise auf die Klimabilanz Deutschlands – Eine Abschätzung der Emissionen 2020. Berlin, März 2020
Fabian Scheidler: Mit zweierlei Maß: Warum bei Corona der Ausnahmezustand herrscht, aber nicht beim Klima. Kontext, 23.03.2020
Der Sustainable-Finance-Beirat empfiehlt der Bundesregierung die Umschichtung von Billionen
.
Weil die Bundesregierung die im KSG von 2019/21 festgeschriebenen Emissions-Grenzen im Verkehrs- und Gebäudesektor nicht einhält, verklagt der BUND die Bundesregierung auf wirksamen Klimaschutz.